Samstag, 14. Juli 2012

Ein Hauch von Moulin Rouge - Lebensfreude in Gostewitz

Pfingsten zwischen Paris, Villerupt und Riesa - ein Fest am Hofe des Sonnen- Uhrmachers

von Reinhard Heinrich

Brigitte et Babette - le ballet
de Moulin Rouge et Gostewitz -
avec Jean-Yves et Mathieu
"Kunst ist schön - macht aber viel Arbeit." - philosophierte einst der Münchener, von B. Brecht als "Linksdenker" bezeichnete Humorist und Philosoph Karl Valentin. Die Kunst zu Feiern macht nicht weniger Arbeit, die um so besser nur zu bewältigen ist, je mehr man sie mit Freunden teilt. Und so belebte sich das Wohn- und Kulturgut Gostewitz bei Riesa auch schon wochenlang vor dem Kunst- und Handwerkermarkt, der in diesem Jahr von französischem Flair geradezu sprühte. Das Wohn- und Kulturgut und seine Bewohner können viel stemmen - aber nicht alles. Die Werbung trägt die Stadt Riesa, zu der Gostewitz ja eingemeindet ist. Und der Chef vom Kulturwerk e.V. kutschiert auch gleich mal den Shuttle-Kremser zwischen dem Gut und dem nächsten Festort, der Windmühle Pahrenz, wohin sich verfügt, wer lange genug in Gostewitz war.

Aber eigentlich kann man sich von diesem Dreiseitenhof schlecht trennen.

Cancan im Bauerngarten
Einladung zur Weinprobe
Da tanzen zwei Frauen einen hinreissenden Cancan über den Bauernhof, wie man ihn sonst wohl nur in Paris zu sehen kriegt. Kurz zuvor hat man die eine noch bei Kuchenverkauf und Kaffeeausschank gesehen. Und wenn das Fest vorbei ist, praktiziert sie wieder in Riesa als Zahnärztin. Die musikalische Begleitung dazu liefert Matthieu mit seinem Akkordeon. Der wiederum streift auch gemeinsam mit Jean-Yves Dousset als die Gendarmen von Gostewitz und Saint Tropez über das Festgelände, "bewaffnet" mit einem Quietschbaguette anstelle des Gummiknüppels und der unvermeidlichen Trillerpfeife. Jean-Yves wiederum nutzt die Zeit, wenn er gerade kein Gendarm ist, als Scherenschnittkünstler - der übrigens als der schnellste der Welt im Guiness-Buch der Rekorde steht - und macht Silhouetten vom Publikum zu zivilen Preisen. Denn Gostewitz ist eben doch nicht ganz Paris - oder auch nur Villerupt.


Ehrlich gesagt ist ja die französische Partnerstadt, verglichen mit Paris, eine ähnliche "Metropole" wie Riesa. Mit ganz normalen Menschen und ganz normaler Arbeit - oder auch ohne - genau wie hier. Man konnte es in der in erstmals öffentlich zugänglichen Kulturscheune in einer ungewöhnlichen Fotoserie von Fly - Ralf Menzel sehen.
König Drosselbarts
Drehleier

Der Schmied
Bauernhof und Bauerngarten sind - ausser vom Publikum - bevölkert von Handwerkern und Künstlern. Mit einer alten Drehleier zieht Rainer Freckmann die Kinder an sich. Es klingt wie in dem König-Drosselbart-Film mit Manfred Krug. Warum er gekommen ist? Weil er früher einmal auf diesem Hof gewohnt hat und sich freut, dass jetzt hier Kultur und Kunst in Ansehen stehen. Besorgt fragt an einem Stand mit originellen Holzwaren - alles Unikate - die "Marktfrau" den vorwitzigen Fotografen, was er denn mit den Bildern vor habe. Das Foto-Verbot hat der erst mal übersehen. Ideenklau bedroht die Kunsthandwerker. Keine Sorge diesmal - es kann vielleicht sogar als Webung dienen - was man von der "Verdingselei" nach dem Fest zu sehen kriegt.
Gefilzte Spässe
Schnitzwerk aus der Verdingselei
Handgeschöpftes Naturpapier aus Gröditz, Weinhandel und Gefilztes verzaubern die Besucher. Daneben Antiquitäten, Schmuck und ein Schmied mit Feldschmiede. Astronomische Fernrohre deuten darauf hin, dass der Sonnenuhrmacher die Himmelsbeobachtung ernst nimmt. Und Essen und Trinken gibt es natürlich, Puppentheater, Musik und Gesang - alles, wie es sich für ein Fest gehört.

Honig und Met - von
glücklichen Bienen
Provinz stellt man sich anders vor. Auch die "französischen Gendarmen" erleben die Menschen, das Stadtvolk auf dem Lande, wo ein paar Leute Kultur organisiert haben. Zum Beweis, dass man Verbündete gewinnen kann, die mitmachen - und sichtlich gern. Dieser Kunst- und Handwerkermarkt könnte eines der kulturellen Wahrzeichen der Stahlstadt werden - vor den Toren zwar, jedoch undenkbar ohne Riesa und seine Menschen.
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Wie Jean-Yves mich mit
der Schere "fotografierte" 
PS: Lange konnte ich mich nicht entscheiden, wo ich diesen Text vollständig veröffentliche. Ein Riesaer Blog hätte sich eigentlich angeboten. Aber dort "tobt" gerade eine Auseinandersetzung um die Abwahl des Finanzbürgermeisters. Das ist weniger festlich. Also doch lieber hier: Auf  Rondo Bildung und Kultur.

2 Kommentare:

Kommentare sind durchaus erwünscht - solange sie meinem Verständnis von Kultur entsprechen. Unkultur (also z.B. Rassismus) dulde ich nicht.

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