Freitag, 27. Dezember 2013

Das Beste zuletzt: Weihnachtsgala in Meissen

Von der Weihnachtsgala zur Weihnachtsgans ...

von Reinhard Heinrich
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Bild: Künstleragentur Baudis
... führt eilends der ganz normale Weg eines Gastwirts sofort nach Ende der Veranstaltung, wenn dieser Gastwirt eine Künstleragentur betreibt und beliebte Stars der Unterhaltungskunst im vollbesetzten Saal der Fachhochschule Sächsische Verwaltung in Meissen präsentiert hat, unterstützt von seinem besten Mann, dem rekordträchtigen Xylophonspieler Bernd Warkus sowie einigen Sponsoren, denen das Meissner Publikum und seine "kulturelle Versorgung" offensichtlich am Herzen liegt - vom Blumenladen über die Winzer bis zur Zeitung und zum Lokalfernsehen. Der Wirt und Stadtrat sauste als erster los, während das Publikum noch klatschend und zu grossen Teilen mit "standing ovations" den Unterhaltungskünstlern huldigte. Die Küche rief. Denn Weihnachtsgans war tatsächlich angesagt - gegen Vorbestellung laut Plakat versteht sich - aber wie soll er denn "die Kartoffeln aufsetzen", während er auf und hinter der Bühne zu tun  hat? Also flitzt er anschliessend los. Während die Zuschauer noch schwelgen. Worin? 

Von "Ebert und Quermann" zu "Quermann und Warkus ...

... führt der Weg einer bewährten und beliebten Conference-Tradition. Bühnensicher, souverän, aber auch
Petra Quermann und
Stadtrat Ulli Baudis
mit Herz und Gefühl sagten Petra Quermann und Bernd Warkus nicht einfach die Nummern an sondern unterhielten auch mit witzigen und informierenden Texten, die man nicht mal so eben aus dem Ärmel schüttelt. 
Und da ist noch mehr: Bernd Warkus hat - unbewusst, wie er nachher sagte - Heinz Quermanns Tonfall und Satzbau so gut "gelernt", dass man den alten Meister direkt heraushören kann, wenn man will. Auf der Bühne jedenfalls.
Und es ist eben ein Unterschied zwischen conferieren mit dem Publikum und dem Moderieren ("verlangsamen") einer Veranstaltung. "Heinz des Quermanns" Tochter macht ihrem Vater und Vorbild Ehre und Bernd Warkus seinem Lehrmeister nicht weniger, der ihn früher meist "nur" am Xylophon ankündigte - aber wie er das gemacht hat!!!
Die Grande Dame Margot Ebert aus der Show des DDR-Fernsehens wurde diesmal eher von Dagmar Frederic - sehr überzeugend und mit besonders viel Herz - und Stimme natürlich - verkörpert. Von der Äquilibristik (Josephine) Gesang (Dagmar Frederic und Peter Wieland) bis hin zu Sketch und Parodie - alles wurde fachgerecht(!) gewürdigt - und das Publikum heiter bis komisch mitgenommen zur nächsten Darbietung. Mittels der Darbietung "Conference". Solche Qualität sah ich in Dresden zuletzt bei Uli Busch und O .F. Weidling. 

Reifen, Kreise und ein Rundgesang ...

Josephine -
nach dem Auftritt
... wurde dem Publikum geboten - eine runde Sache eben. Josephine mit ihrem sehenswerten, geschulten und trainierten Körper äquilibrierte, dass einem das Herz aufging. Nicht nur, dass sie das Gleichgewicht sauber und sicher hält - ihre Darbietung erfüllt höchste ästhetischer Ansprüche. Kein Stück verbissene Anstrengung oder auch nur Mühe ist ihr anzumerken, wie man es schon mal bei Meisterschaften im Kunstturnen und dergleichen sieht. Leicht und gleitend bewegt Josephine ihre Glieder in unglaubliche Positionen - ihr Lächeln gilt dem Publikum und ganz wie nebenbei entknotet sie grazil auf einem Bein stehend den Kopf von den Armen und dem "restlichen" Bein. Nicht die erreichte Position bietet den Augenschmaus sondern ihre Bewegung da hinein und wieder heraus. Irre verknotete Schlangenmenschen habe ich haufenweise gesehen. Aus dieser Ästhetik der langsamen Bewegung jedoch weht einen Hauch von Roncalli ...
Ihre zweite Darbietung am Schluss weiss nur zu  würdigen, wer schon mit ungefähr zehn Reifen zugleich Hoola Hoop gemacht hat. Das ist ein Kraftakt, den man dem Mädchen fast nicht zutraut. Aber sie bringt es doch. Sie darf auf jeden Fall Weihnachtsgans essen - und bleibt schlank. Keine Frage.

Ähnlich "mühelos" klingt der Gesang unserer so vielseitigen Dagmar Frederic, die nicht nur professionell perfekt singt, sondern die Herzen der Zuschauer auch mit ihrem persönlichen Engagement für kranke Kinder erreicht - und nach dem Auftritt - als unsere Daggi - mit Jedermann und Jederfrau ganz normal plaudert, wie jemand, der Starrummel nicht nötig hat und dessen auch ganz sicher sein darf. Ungeachtet des mitreisenden Taxifahrer-Fanclubs aus Leipzig, der aber wohl eher ein guter Freundeskreis unter Profis - "Die Frederic und ihre Taxifahrer" zu sein scheint.
Gemeinsam mit Peter Wieland, der sich selbst auf der Bühne "der alte Wieland" nennt, also ein entspanntes Verhältnis zum Alter (*1930) zelebriert, singt sie wieder im Duett, unter anderem, weil, wie es heisst, "der lose Draht wieder funktioniert". Fast unmerklich fragende Blicke in Medley und Duett hauptsächlich von ihr hin und wieder beim gemeinsamen Singen zeigen schon, dass sie wohl doch eine ganze Weile nicht miteinander geprobt haben.  Aber das wird. Der gemeinsame Klang sitzt bereits wieder.

Heiter und so weiter

Wieland steht da (nicht ohne "sein White Christmas") wie ein Riese und weiss ganz genau, dass er beim Finale noch einmal alles geben kann. Und zwar von seiner geschulten Stimme, die auch Musical-, Operetten- und Opernbühnen nie zu scheuen brauchte, weil in dem Bariton (Prof. Henry Higgins) immer noch der frühere Tenor (Freddy Eynsford Hill, beide aus "My fair Lady") steckt - und der will auch manchmal noch raus. Und ein Grossteil der Überschreitung an "Sendezeit" ist sicherlich den beiden Künstlern "geschuldet", die gemeinsam mit dem Publikum so manchen Refrain und so manche Strophe schöner und besinnlicher Lieder wiederholt sangen - und es offensichtlich gern taten. Die "Werkzeuge des Bühnenhandwerks" sind bei beiden immer noch wohlgeschliffen und gerichtet. Und der Auftritt hat ihnen sichtlich genau so gut getan, wie dem Publikum. "Rampensau" nennt man das derb-liebevoll und vor allem anerkennend beim Theater. Und es wird aus kompetentem Munde gern auch gehört.

Bert Beel - ohne Schlips und Maske
Die ausschliesslich heitere Note vertrat Bert Beel (bekannt von "TUSCH" im DFFin immer wieder überraschend abwechslungsreichen Parodien und Persiflagen. Ob man ihn allerdings als "Cindy aus Marzahn" lieben wird, hängt wohl hauptsächlich davon ab, was man von der "Scharmanz" dieser "lustigen Person" hält.
"Lustige Person" - das war im Theater vor der "Caroline Neuberin" (aus Dresden Laubegast) im Grunde der Hans Wurst. Und diese Hanswurstiade im Cindy-Kostüm wäre möglicherweise leicht durch etwas Niveauvolles zu ersetzen gewesen. Aber einigen hat's sicherlich gefallen - dem Beifall nach. In den "klassischen" Rollen von den Ufa-Stars wie Theo Lingen und Hannes Heesters bis hin zu Udo Lindenberg zeigte Bert Beel sein vollendetes Können nicht nur stimmlich stimmlich sondern auch mimisch - mit minimaler Kostümierung. Applaus!

Der "Märchen-Sessel"
Der Produzent der ganzen Show, Ullrich Baudis stieg in die Rolle, die beim DDR-Gänsebraten immer Jochen Petersdorf vom Eulenspiegel abzuspulen hatte: Das moderne Märchen nach den Gebrüdern Grimm. Diesmal war der Text von Bernd Warkus geschrieben und man konnte gar nicht so schnell zuhören und schalten, wie eine Anspielung nach der anderen über die Rampe ging. Der Vortrag war (mindestens!) sehr flott gehalten, obwohl dem "Märchenerzähler" ein durchaus bequemer Sessel, wahrscheinlich aus dem Meissener Theaterfundus, zu Verfügung stand. Wahrscheinlich sah der Stadtrat und Gastwirt schon seinen Gänsebraten brutzeln.

Am Xylophon glänzte mit Ausdauer und Charme wie gewohnt das Duo Warkus & Warkus - akustisch wie geradezu akrobatisch. Oder hat man jemals einen Pianisten gesehen, der in hohem Tempo das Klavier "falsch rum" spielt? Also mit einer seitenvertauschten Tastatur? Bernd Warkus macht es einfach - am Xylophon, indem er dem Warkus Junior das Instrument etwas "entrückt", um ihm gegenüber stehend "Zirkus Renz" in rasender Geschwindigkeit einfach darauf mitzuspielen - eben nur spiegelverkehrt. Sachen gibt's, die gibt's gar nicht - ausser in Meissen.

Und alles wäre nichts geworden ohne die Leute vom Stadttheater Meissen, die einen Haufen Technik über

Einer der beiden "guten Geister" von
der Technik.
Theaterchefin Renate Fiedler mit
Petra Quermann
die Elbe schleppten und vor Ort in Gang hielten, weil ihr eigenes Haus noch immer unter Hochwasserfolgen von 2013 leidet.
Unbedingt muss aber noch einmal René Warkus genannt werden, der sich als gestandener Bühnenkünstler nicht zu schade war, einen Tag lang die gesamte Technik aufzubauen und einzurichten, was bei dieser "besseren Werkhalle" besonders für die Beschallung ein Puzzlespiel darstellt.

In diese Halle hinein wurde
die Weihnachtsgala 2013
gesungen, getanzt, gefeiert.
Worin also hat das Publikum vor allem geschwelgt? In Liebe zu seinen Stars Fernsehlieblingen, wie "Heinz der Quermann" zu sagen pflegte. Eine Liebe, die von der Bühne aus uneingeschränkt erwidert wurde, zum Publikum. Und das Glücksgefühl, hier dabei zu sein, sah man allen Mitwirkenden deutlich an - gemischt mit einem Hauch Überraschung bei denen, die neu dabei waren und also die besondere Atmosphäre auf Meissens Bühnen erstmalig als etwas ganz besonderes erlebten.

Wie sagte doch Bernd Warkus?
"Wir bringen keinen Mist auf die Bühne, wir wollen Sie unterhalten. Ansonsten können sie fernsehen." Genügend Zuschauer aus Meissen und Umgebung wussten das schon vorher und hatten sich eine Karte gesichert. Möge die vierte Weihnachtsgala 2014 wieder so einschlagen!

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